Wie läuft eine Ausbildung in Deutschland für ausländische Azubis ab? Gerandu hat für euch ein Gespräch mit einem Azubi in Deutschland geführt. Mohamed ist ein 23 Jahre alt und aus Tunesier. Vor zwei Jahren kam er durch Gerandu nach Deutschland und macht aktuell seine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger im Landkreis Weilheim-Schongau in Oberbayern. In ein paar Wochen startet er in sein drittes Lehrjahr der Ausbildung und könnte schon bald ein examinierter Krankenpfleger sein.
Gerandu: Kannst du uns einen “normalen” Tag als Azubi beschreiben ?
Mohamed:
Der Tagesablauf bei einer internistischen oder orthopädischen, wie auch chirurgischen Station, fast immer gleich. Es beginnt und endet immer mit einer Übergabe. Da sich die Kollegen einzelne Informationen untereinander austauschen, je nach Patienten und Krankheitsbildern, um eine interdisziplinäre und kollegiale Arbeit zu gewährleisten. Danach geht es mit der Vorbereitung der Medikamente bzw. der Infusionen, den Messung von Blutzucker und eventuell die Verabreichung von Insulin weiter. Nachdem die Pfleger ihre Materialien vorbereitet haben beginnen sie mit dem Durchgang von Patient zu Patient.
Als Krankenpfleger übernimmt man gewisse pflegerische Maßnahmen, wie die Austeilung und Verabreichung von Medikamenten, die Messung, Beratung und Aufklärung der Vitalparameter. Man kontrolliert auch die Wunden und die Haut und überprüft die Sensibilität sowie die dynamischen und motorischen Leistungen. Als Krankenpfleger unterstützt man seine Patienten bei Bedarf und führt mit ihnen so genannte prophylaktische Maßnahmen, wie z.B. Atemgymnastik oder Bewegungsübungen der Extremitäten, durch. Dadurch beugt man gewisse Risiken vor, die die Patienten gefährden können.
Nach dem ersten Rundgang wird von den Servicekräften, manchmal auch mithilfe des Pflegepersonals, Frühstück verteilt. Anschließend beginnt die Visite des Arztes. Hier kommt es meist zu Verbandswechsel, Dauerkatheterlegungen oder Ziehung von zentralen Venenkanülen usw. Diese Aufgaben können vom Arzt auch an das Pflegepersonal weitergegeben werden. Unter bestimmten Regeln, wie beispielsweise den W-Fragen (Was wird getan?; Wie?; Bei wem? Wie oft?; Welche Medikamente oder Dosierung?), dokumentieren dann die Pfleger die Behandlung des Patienten.
Zwischendurch haben Pfleger im Tagesablauf eine 30-minütige Pause, die man sich selbst einteilen kann. Es kann jedoch auch mal vorkommen, vor allem wenn es sehr stressig ist, dass man es nicht schafft eine Pause zu machen. So läuft ein Frühdienst. Spät- und Nachtdienst sind ähnlich, enthalten aber dazu noch einen Durchgang mehr, bevor die zweite Übergabe erfolgen muss
G: Wieso hast du dich für eine Pflegeausbildung entschieden?
M: „Ich habe mich für den Pflegebereich entschieden, weil ich Medizinwissenschaften interessant finde und weil meine Rolle als Pflegekraft mir ermöglicht, Patienten während ihres Genesungsprozesses zu begleiten, sowie ein effektiver Teil der Therapie zu sein. Man hilft, versorgt, beratet, motiviert und kommuniziert mit Menschen. Ich finde der Pflegeberuf ist ein ehrenhaften Job, egal in welchem Land oder welches Klinikum. Die Tatsache, dass man Menschen hilft und dass Menschen dafür dankbar sind, ist etwas Besonderes. Man nimmt viel für sich selbst aus den Situationen mit.“
„Heutzutage tausche ich mit meinen Patienten Ideen, Meinungen, lustige Sprüche und sogar über Kultur aus. Ich unterhalte mich gerne mit meinen Patienten über die kleinen wie auch die großen Details meiner oder ihrer Kultur, was ich wirklich großartig finde.“
„Außerdem war es mein Wunsch, die Ausbildung in Deutschland zu machen. Ganz besonders finde ich es motivierend, dass Jugendliche in Deutschland, dass die Ausbildungskosten von drei Jahren übernommen werden. Durch das monatliche Gehalt wird man noch selbstständiger.“
G: Wie gefällt dir deine Ausbildung bis jetzt?
M: I packs in die Täschchen! Mir macht der Beruf Spaß. Die Ausbildung finde ich hier einzigartig im Vergleich mit anderen europäischen Ländern z. B. Frankreich. Das Thema ist, dass Tunesien das französische Bildungssystem verfolgt,. Man muss also 3 Jahre an der Uni studieren, um Krankenpfleger zu werden. Hier in Deutschland funktioniert das anders. Während der Ausbildung besucht man die Berufsfachschule und kann nach der Ausbildung sogar noch weiterstudieren.
Und die ganzen Aufstiegsmöglichkeiten bzw. Weiterbildungen, Kurzbildungen und Fortbildungen, die man hier später neben dem Beruf machen und absolvieren kann, sind auch besonders interessant.
G: Was ist der Unterschied in der Pflege zwischen Deutschland und Tunesien?
M: Prozess. Struktur. Therapien. Anamnese. Dokumentation. Außer der Anatomie ist der Rest nicht zu vergeleichen. Ich selbst habe in Tunesien nicht in einem Krankenhaus gearbeitet. In meinem Bekanntenkreis jedoch einige. Im Austausch haben sie mir von den Unterschieden erzählt. So konnten wir Vergleiche ziehen. Bei der Ausbildung ist es jedoch ganz anders. Hier in Deutschland läuft die Ausbildung während der 3 Jahre regelmäßig zwischen Praxis und Theorie ab: drei Wochen Schule und vier Wochen Praxis.
G: Was sind deine besten Momente aus Deutschland, an die du dich gerne erinnerst?
M: Die besten kommen noch! Aber in meiner Freizeit spiele ich Handball in meinem Landkreisverein oder fahre durch Bayern, um die schönen Gebiete zu entdecken. Hier ist die Natur faszinierend schön: See, Alpen, usw.
Mohamed am Ammersee, Frühling 2019. Foto von @mohamed_benselem
G: Was war für dich das Schwierigste bei der Integration?
M:
Eigentlich fand ich die Integration nicht besonders schwer, weil es sprachlich bedingt ist. Das heißt, je besser man die deutsche Sprache beherrscht, desto einfacher macht man sich die Kommunikation und somit die Integration. Ich habe damals in einem Callcenter gearbeitet und hatte hunderte Kunden aus der Schweiz, die mich täglich angerufen haben. So habe ich Deutsch gelernt. Die einzige Herausforderung, die ich hier in Bayern habe, ist der bayerische Dialekt. Im Dialekt sprechen aber meist die älteren Patienten. Mittlerweile verstehe ich diesen super und beherrsche es wenig. Es gibt ja leider noch keine Sprachschule für Dialekte. Dennoch finde ich, dass der Dialekt ein Identitätsmerkmal ist, welchen nur Menschen beherrschen müssen, die auch aus Bayern kommen. Deswegen halte ich an meinem Hochdeutsch, gemischt mit meinem französischen Akzent fest. Einige bayrische Wörter habe ich aber trotzdem in die Tasche!
G: Was sollten Azubis deiner Meinung nach unbedingt mitbringen, wenn sie eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger/-in in Deutschland beginnen?
M: Hey Leuteee ich sag‘s euch ehrlich aus persönlichen Erfahrungen, ihr braucht richtiges Interesse an dem ganzen Thema, bzw. am Fachgebiet, wo ihr euch bilden wollt. Außerdem sind Motivation und positive Energie auch ein Thema, weil ihr das langzeitig brauchen werdet.
Ich finde es auch sehr hilfreich, sich Videos und Filme z.B. auf YouTube über die Arbeit in Deutschland oder auch dem Fachbereich anzuschauen. Das hilft einen Einblick zu bekommen wie es so abläuft. So umgeht man vielleicht auch Enttäuschung, wenn man sich den Beruf vielleicht anders vorgestellt hat. Darüber hinaus sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, um sich genau um das das Fachgebiet zu informieren. Das Internet gibt einem eigentlich schon alle Informationen – gerade für den Anfang. Praktikas in der Heimat sind immer super, jedoch sollte man sich eben im Kopf behalten, dass es im Ausland bzw. in Deutschland etwas anders abläuft
So Leute, ich hoffe, dass ich euch durch meine persönliche Geschichte helfen konnte, einen Ausblick auf das Leben in Deutschland zu haben. Ich wünsche denjenigen, die sich für eine Ausbildungsstätte hier in Deutschland interessieren, viel Spaß und viel Erfolg beim Deutschlernen. Und nicht vergessen, die tunesische Energie mitzubringen! Alles Gute euch, bleibt gesund und bis zum nächsten…
… Servus !
LG
Mohamed „