Deutschland wählt. Am 26. September ist Bundestagswahl. Im gestrigen „Triell“ der Kandidaten blieb das Thema der Pflege weitgehend ausgespart – die Pflege in der Bundestagswahl kam so nicht vor. Einige der wichtigsten Punkte haben wir in unseren Blogs bereits besprochen. Wir haben uns die Wahlprogramme einmal angesehen und verraten, was die großen Parteien zum Thema Pflegepolitik zu sagen haben.
Vor der Wahl einer neuen Bundesregierung präsentieren Union, SPD, Grüne & Co. viele Hundert Seiten Versprechen für die potenziellen Wähler. Dazu gehören auch 1,7 Millionen Pflegekräfte. Kaum ein anderer Berufsstand leidet so sehr unter seinen aktuellen Arbeitsbedingungen wie die Pflege – und hat aufgrund des hohen Anteils von Ausländern so wenig Repräsentanz im deutschen Parlament. Daher ist es für Pflegekräfte besonders wichtig, zu wissen, welche Pläne und Forderungen die Parteien für die nächste Legislaturperiode haben. Wir haben uns die Programme einmal genauer angesehen
Die Reihenfolge der Parteien ergibt sich aus den Umfragewerten der letzten Sonntagsfrage („Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?“) des Forsa-Instituts (24.08.2021):
Quelle: Bundestagswahl 2021, 30.08.2021, Link
Die CDU/CSU bildet gemeinsam mit der SPD die aktuelle Regierung, Pflege in der Bundestagswahl 2021. Seit 2013 stellt sie den Bundesgesundheitsminister, aktuell Jens Spahn – dieser hat zwar die Akquise von Personal stärken wollen, der administrative Aufwand bleibt jedoch erhalten. Wie wollen die Christdemokraten den Pflege- und Gesundheitssektor in den kommenden Jahren voranbringen und was sind die Hauptpunkte der Pflege in der Bundestagswahl 2021?
Zu diesem Thema hat das Wahlprogramm der Union lediglich folgenden Punkt zu bieten:
Die CDU/CSU sieht keine Gehaltssteigerungen für Pflegekräfte vor, sondern beruft sich auf die Gehaltssteigerungen, die sie in der vergangen Legislaturperiode bewirkt hat. Ergänzen will die Union nur:
Für die Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege setzt die CDU/CSU vornehmlich auf Bestehendes:
Neben einer Vergütung der Ausbildungsberufe in der Pflege will die Union den Pflegeberuf durch diese Maßnahmen stärken:
Die CDU/CSU möchte Pflegekräften verlässliche Dienstpläne und mehr Zeit für ihre Patient:innen verschaffen. Letzteres soll durch digitale Technik geschehen:
Was die Vergütung und den Personalmangel in der Pflege betrifft, hat die Union kaum neue Ideen. Ausländische Pflegekräfte und Roboter werden den Personalbedarf kaum ausgleichen. Zeitarbeit, die auch in der Pflege eine große Rolle spielt, will die Partei erhalten. Den steigenden Finanzbedarf soll der Pflegevorsorgefonds des Bundes decken. Doch auch dieser speist sich letztlich aus den Pflegeversicherungsbeiträgen der Bürger. Diese müssen darauf hoffen, dass ihre Beiträge und ihre Rente für die Pflegekosten sowie die Eigenanteile ausreichen. Da ist es gut, dass die Union die Pflege innerhalb der Familie unterstützen möchte. Weitere unvorhersehbare Kosten für den Steuerzahler könnten sich durch den dynamisierten „Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen (wie beispielsweise in der Pandemiebekämpfung)“ ergeben.
Auch die SPD war als Teil der großen Koalition maßgeblich an den Regierungsentscheidungen beteiligt. Von einigen hat die Pflege profitiert, andere erzielten nicht den gewünschten Effekt. In ihrem Wahlprogramm verfolgt die Partei ihre Ziele weiter – anbei die wichtigsten Punkte zum Thema Pflege in der Bundestagswahl 2021.
Die Sozialdemokraten konstatieren „einen gewaltigen Personalmangel in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“. Die einzige Idee, die sie dazu haben ist:
Bei der Gehaltsfrage wird die SPD in ihrem Wahlprogramm konkreter. Sie plant:
Die SPD will „die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden“ und es solidarisch finanzieren. Dazu baut sie auf:
Die Partei möchte, dass sich Pfleger:innen „beruflich weiterentwickeln können“ und dass die Qualität der Pflege steigt. Deshalb will sie:
Auch die SPD setzt auf den Fortschritt, um effiziente und bessere Versorgung zu gewährleisten und will Pflegekräfte entlasten, indem sie:
Unter SPD-Führung könnten die Löhne in der Pflege nochmals steigen. Am bisher nicht erreichten Ziel des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, der auch die Kirchen mit einschließt, hält die Partei weiter fest. Wie genau sie die Personalbemessung verbessern will, führt die SPD nicht weiter aus – auch nicht, wie sie den interdisziplinären Dialog stärken möchte. Die „Bürgerversicherung, die aus den „moderat steigenden“ Pflegeversicherungsbeiträgen gespeist wird, soll allen medizinische Leistungen in gleicher Qualität ermöglichen. Dafür werden die Steuerzahler solidarisch zur Kasse gebeten. Die Eigenanteile finanzschwacher Pflegebedürftiger sollen gedeckelt und finanzieller Druck von den Krankenhäusern genommen werden. Letzterer führt vor allem zu unnötigen Eingriffen und inadäquater Personalplanung.
Die Grünen befinden sich nur wenige Prozentpunkte hinter der SPD und haben, was die Pflegepolitik betrifft, viele ähnliche Vorstellungen. Doch welche Punkte beleuchten sie zum Thema Pflege in der Bundestagswahl?
Auch der Vorschlag der Grünen zum Thema Pflegepersonal lautet:
Die Grünen wollen sich für „gute Tarifverträge“ in der Pflege einsetzen und für:
„Die Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen soll gestärkt und der Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden“, kündigen die Grünen in ihrem Wahlprogramm an. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen:
Mehr Selbstständigkeit und Fachkompetenz der Pflegekräfte bzw. in der Pflege sollen diese Vorschläge bewirken:
Die Grünen planen für Arbeitnehmer:innen wie Pflegekräfte, die unter hoher Belastung arbeiten:
Die Grünen planen weitreichende Reformen der Pflege und des Gesundheitssystems zum Allgemeinwohl. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Arbeit der Pflegekräfte zu erleichtern, machen sie konkrete Vorschläge, die in ihrer Gesamtheit jedoch schwierig zu finanzieren wären. Gehaltssteigerungen und zusätzliche Stellen versprechen sie nicht. Arbeitnehmer:innen, die ihre Angehörigen zeitweise pflegen, sollen einen Lohnersatz bekommen. Dies könnte eine kleine Entlastung des Pflegesektors bedeuten.
Die Linke stimmt sich auf ihre Rolle als Oppositionspartei ein und gibt sich in ihrem Wahlprogramm entsprechend kämpferisch in den wichtigsten Punkten der Pflege in der Bundestagswahl
Die Partei will bedeutend mehr Pflegepersonal einstellen:
Dem Fachkräftemangel wollen die Linken unter anderem mit einer Erhöhung der Gehälter entgegenwirken:
Die Linke findet es falsch, dass „Krankenhäuser nach Fallpauschalen und mit Gewinnorientierung wirtschaften müssen“. Sie fordern weitreichende Reformen der Pflege- und Gesundheitsfinanzierung:
Pflegekammern lehnt Die Linke ab. Zur Stärkung der Heil- und Gesundheitsberufe stellt sie folgende Forderungen:
Die Linke erwähnt die Digitalisierung als Entlastungsfaktor für die Pflege nicht in ihrem Wahlprogramm. Sie setzt auf attraktivere Arbeitsbedingungen, um Fachkräfte in dem Beruf zu halten oder zurückzuholen.
Die Linke betont: „Menschenwürdige Pflege kann und darf nicht auf Profit ausgerichtet sein“. Sie plädiert daher für gemeinnützige Pflegeeinrichtungen und ein weitreichendes Investitionsprogramm. 500 Euro mehr Grundgehalt und insgesamt 200.000 mehr Pflegekräfte klingen allerdings utopisch, selbst wenn durch einen Pflegepersonalfonds mehr Geld für zusätzliche Pflegestellen zur Verfügung stehen würde. In die solidarische Gesundheitsversicherung der Linken sollen alle einzahlen, basierend auf ihrem realen Einkommen. So sollen die meisten Menschen finanziell entlastet werden. Jeder soll Zugang zu allen Pflegeleistungen haben, ohne sich durch Eigenanteile zu verschulden. Der Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze soll dafür die Grundlage schaffen, denn Reiche würden so wesentlich mehr einzahlen. Zeitarbeit wollen die Linken langfristig verbieten.
Gesundheitspolitisch fällt die AfD vor allem durch das Infragestellen der Corona-Politik und durch die Ablehnung von Maßnahmen wie Maskenpflicht und Testnachweis auf. Doch auch die AFD kümmert sich um Pflege in der Bundestagswahl.
Die AFD macht keine Aussage zu einem Personalbemessungsinstrument und fordert stattdessen:
Für eine faire Vergütung der Pflegekräfte sieht die Partei folgendes vor:
Die AfD möchte die Pflegeversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung zusammenlegen. Außerdem:
Die Partei befürwortet
Spezifische Aussagen, wie die Arbeitsbelastung der Pfleger:innen gesenkt werden soll, finden sich im Wahlprogramm der AfD nicht.
Die AfD hebt sich zwar in ihrer Ablehnung der generalisierten Pflegeausbildung von den anderen Parteien ab. Bis auf den Flächentarifvertrag bietet sie der Pflege jedoch wenig. An den Untergrenzen für Pflegepersonal, die den Personalbedarf nur unzureichend widerspiegeln, hält sie fest. Pflegende Angehörige will die Partei entlasten und die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum stärken.
Pflegepersonal entspricht nicht gerade der Stammwählerschaft der FDP, dennoch widmen auch die Freien Demokraten einige Punkte in ihrem Wahlprogramm der Pflege in der Bundestagswahl.
Die FDP ist für eine „bedarfsgerechte Versorgung“ und fordert daher:
Zum Thema Löhne in der Pflege ist im Wahlprogramm der FDP nichts zu finden.
Die FDP schlägt flexiblere Pflegeleistungen, ein neues Modell für die Pflegeversicherung und eine verantwortungsvolle Vergütung der Krankenhäuser vor:
Auch die Freien Demokraten wollen den Pflegeberuf und die Ausbildung aufwerten durch:
Entlasten will die FDP Gesundheits- und Heilberufe durch:
Die FDP liefert keinen Vorschlag zur Gehaltssituation der Pflegeberufe, dafür erkennt sie die Expertise der Pflegekräfte an und will ihr Mitspracherecht sowie ihre Kompetenzen erweitern. Die Freien Demokraten möchten die Digitalisierung des Gesundheitssystems insgesamt voranbringen, um in Krisensituationen wie der jetzigen besser, schneller und pragmatischer reagieren zu können. Auch diese Partei will pflegende Angehörige unterstützen und finanzielle Fehlanreize für Kliniken verhindern.
In ihren Wahlprogrammen betonen alle Parteien, die wichtige Rolle der Pflegekräfte – dennoch bleiben Sie oft vage beim Thema Pflege in der Bundestagswahl. Die Ideen, die sie auflisten, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die steigenden Kosten im Gesundheitssektor zu decken, sind teilweise ähnlich. Das Problem: Viele der Ideen, die nun im Vorfeld präsentiert werden, hängen stark von der Implementierung ab – wie bereits bei den vergangenen Reformen zu beobachten war.